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Lehmarchitektur

Peter Hauenschild und Andi Breuss über die Sanierung eines 200 Jahre alten Lehmhauses im Weinviertel.

Skizze Lehmhaus.tiff

Peter Hauenschild als Bauherr und bildender Künstler und Andi Breuss als Planer berichten über ihre Erfahrungen mit der Materie. Die Renovierung und Umgestaltung wurde anhand von Zeichnungen, Plänen und Materialien präsentiert.

Die im Vortrag behandelten Methoden, Problematiken und Perspektiven standen in unmittelbarem Zusammenhang zur traditionellen Architektur der Umgebung sowie zu der Baumaterie des Lesehauses selbst.

Das Haus von Breuss und Hauenschild befindet sich in der Kaffeegasse in Mitterretzbach. Anhand historischer Pläne lässt sich rekonstruieren, dass es zwischen 1822 und 1855 erbaut wurde. Die einzelnen Häuser in der Straße unterscheiden sich voneinander kaum. Alle Grundstücke sind ungefähr gleich groß und bestehen aus Bahnen von 200-300m Länge. Ursprünglich wurden sie auf dieselbe Weise genutzt und sind als Steckhöfe konzipiert.
Im Zuge der Josephinischen Landreform, wurden den Einwohnern der Region zwischen 1775 und 1780 Land zur Verfügung gestellt. Der besitzt eines Landstriches mit eigenem Garten, Landwirtschaft und Vieh ermöglichte es den Menschen sich selbst zu versorgen sowie autonom und frei zu leben. Da sie wenig Geld hatten, entnahmen sie so gut wie alle Baumaterialien dem eigenen Grundstück.
Die schmalen Häuser wirken wie kleine Straßen. Zumeist muss man durch den jeweiligen Raum hindurchgehen, um den nächsten zu gelangen. Der Steckhof kommt baugeschichtlich zwischen Nordbayern und Siebenbürgen vor und zieht sich vom Osten Niederösterreichs bis zum Schwarzen Meer. Dabei spielen Sprach- und Kulturräume keine Rolle. Bei der Verbreitung dieser Lebensweise sind geografische Faktoren ausschlaggebend.

Der Lehm wurde ausgehoben, indem man ein 50m tiefes Loch in die Erde grub und den Humus abtrug. Darauf folgte, folgt eine Lehmschicht von rund 200-300m. Das feuchte Material wurde anschließend mit Kies, Strohhäckseln, Zweigen, Kuh- und Pferdedung vermischt. Letzterer diente zur Bindung des Lehms und wurde teilweise auch als Aussenputz genutzt. Danach wurde das Material zu einem Satz von 70-80cm aufgeschichtet und von Spezialisten gerade abgestochen. Während die Bauern selbst genau wussten, wie man die Lehm-Mischungen herstellt, war die Stech-Technik kompliziert und musste gelernt sein. Nachdem der Satz 2-3 Wochen Zeit hatte zu trocknen, wurde der nächste Satz aufgeschichtet. Wenn die Bewohner es sich leisten konnten wurde die Wand an oberster Stelle mit gebrannten Ziegelsteinen befestigt. Darauf wurde der Dachstuhl gesetzt. Die traditionellen Lehmhäuser bestehen also fast vollständig aus ungebranntem Material. Einen Keller besitzen die Häuser nicht. Die Böden liegen auf einem Holz und Sandbett auf. Darunter befindet sich der Erdboden.

Als Breuss und Hauschild das Haus zum ersten Mal betraten, stand es bereits seit 70 Jahren leer. Seine Bewohner verließen die Räumlichkeiten in 1949, welche seitdem nicht mehr betreten wurden. Die Betten waren bezogen, die Kleiderschränke gefüllt, auf den Tischen lagen Decken und in der Küche fand man Marmeladegläser. Trotzdem hatte das Haus einen frischen und angenehmen Geruch. Die Wände waren weder gerissen, noch ausgewaschen. Schimmel oder Feuchtigkeit hatte sich nirgends angesammelt. Sogar die Dielen waren größtenteils so gut erhalten, dass sie nicht ausgetauscht werden müssen.
Breuss und Hauenschild waren zunächst erstaunt. Die Häuser befinden sich außen auf einem unversiegelten Granitsockel. Feuchtigkeit kann ungehindert in das haus eindringen, was jeder moderneren Bautechnik widerspricht. Zudem fiel kaum Sonne auf das dicht bewachsene Grundstück. Das Feuchtigkeitsmanagement wurde also von dem Baumaterial selbst übernommen. Die massive Lehmwand ist in der Lage Feuchtigkeit aufzunehmen und Gerüche zu binden.
Die Herausforderung war es nun, Qualitäten und Eigenschaften des Hauses zu verstehen, zu erhalten und mit aktuellen Bautechniken einzufangen. Für den Umbau wurden im Wesentlichen keine anderen Materialien verwendet als Holz, Lehm und Stroh. Es ist wichtig die Offenheit des Systems zu erhalten, sodass es atmungsfähig bleibt. Aus diesem Grund dürfen die Wände nicht versiegelt werden und lediglich austauschfähige Materialien können zum Einsatz kommen. Dabei ist die Speichermasse des Mauerwerks wichtiger als eine Veränderung zu Dämmzwecken.
Der sollte so transformiert werden, dass es den Ansprüchen eines zeitgemäßen Lebens entspricht. Es gelang insbesondere die Räumlichkeiten höher und heller zu gestalten, wohingegen die Zimmer früher relativ niedrig und dunkel waren. Statt den ehemaligen Kastenfenster dient nun 3-fach Glas als thermischer und akustischer Schutz. Einige Wandflächen wurden verglast und die Raumhöhe auf 2,3m gesteigert.
Hauenschild und Breuss entschieden sich dafür den hinteren Bau als Wohnraum zu konzipieren. Sie verlegten ihn, in jenen Gebäudeteil, der zuvor als Stallung diente.

Vor der Umgestaltung des Baus mussten einige Stellen der Wände aufgerissen werden, da nicht einsehbar war, woraus sie genau bestanden. Damit eine Aussage über die Statik des Gebäudes getroffen werden kann, ist es notwendig zu verstehen, wie die Wand funktioniert. Die Wände tragen sich allein durch Schwerkraft und halten extrem viel Druck aus. Einem benachbarten Anwohner war es auf dieser Grundlage sogar möglich einen Dachboden Ausbau zu unternehmen und die Last erheblich zu erhöhen ohne in die Statik des ursprünglichen Baus einzugreifen.

Die Wände des Hauses sind massiv. Das naturbelassene Material besitzt neben den Feuchtigkeitsausgleichenden Qualitäten auch die Fähigkeit Wärme zu speichern, während es im Sommer innen angenehm kühl bleibt.
Ursprünglich wurde jeder Raum mit einen Holzofen beheizt. Auch der Küchenherd funktionierte mit Brennholz. Breuss und Hauschild wollen neben Kaminen nun eine Gasheizung für das gesamte Gebäude installieren. Im Winter können Lehmhäuser stark auskühlen, wenn sie mehrere Wochen infolge ungenutzt bleiben. Mit Holzöfen dauert es jedoch maximal drei Tage, um das Gebäude komplett aufzuheizen. Dadurch, dass die Wärme von den Wänden gespeichert wird, müssen diese nicht weiter gedämmt werden. Sie geben die gespeicherte Wärme gleichmäßig ab, sodass extrem wenig Energieaufwand erforderlich ist, um eine optimale Temperatur zu halten. Nur Böden und Decken werden isoliert, um die Energiebilanz des Gebäudes zu senken. Breuss und Hauschild konnten eine Verbesserung von 50% nachweisen.

Bauweise und Oberflächenbehandlung sind vollkommen chemiefrei. Die Innenräume zeichnen sich durch ein fantastisches, sanftes Licht und einen guten Geruch aus. Die Wohnqualität, welche durch das symbiotsche Vorgehen entstanden ist, sei für ein modernes Einfamilienhauses unerreichbar. Nicht nur durch sein natürliches Vorkommen in enormen Mengen ist das Potenzial von Lehm laut Hauenschild und Breuss fast unendlich groß. Der Baustoff ist extrem intelligent und besitzt raumklimatische Wirkung wie bauphysikalische Funktion. Ein Großteil jener Voraussetzungen, welche man noch heute zum Bauen braucht (z.B. Stahlschutz) können durch Lehm gewährleistet werden.

PETER HAUENSCHILD wurde 1958 in Linz geboren. Er studierte visuelle Gestaltung bei Professor Laurids Ortner and der Hoschschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Zeichnung, Kunst im öffentlichen Raum und Computeranimation.

ANDI BREUSS wurde 1961 in Dornbirn, Vorarlberg geboren. Er studierte Psychologie an der Universität Wien und Holzbauarchitektur an der Kunstuniversität Linz. Er betreibt ein Planungsbüro mit Schwerpunkt Holz und Lehmarchitektur. Er ist Dozent an der NewDesign University in St. Pölten und hält Gastvorlesungen an der TU Wien. Seine Arbeit wurde durch mehrere österreichische Preise gewürdigt.

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